Musik und Tanz im Wiesdorf der Golden Twenties

Die 20er Jahre in Wiesdorf

Als Mitte der 20er Jahre die britischen Besatzer aus dem Rheinland abzogen, entwickelte sich in der jungen Stadt Wiesdorf eine kreative Freizeitkultur, die sehr stark durch Frauen geprägt wurde. 1918 erhielten Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Frauen prägten das öffentliche Bild im Beruf und in der Freizeitwelt. Manner sahen das teilweise als Angriff auf ihre Privilegien, so im Lied vom Huhn.

Mitte der 20er Jahre brachte Bayer die Kunstseide auf den Markt. Gummibänder aus Kautschuk ermöglichten neue Sport und Freizeitkleidung, insbesondere für Frauen. Ende der 20er Jahre wurde reichsweit die Ausbildung zur Bürogehilfin verordnet. Bayer und die IG Farben waren damals eine treibende Kraft in der Berufsausbildung für angestellte Frauen.

Comedian Harmonists

„Ich wollt‘, ich wär‘ ein Huhn,
Ich hätt‘ nicht viel zu tun,
Ich legte täglich nur ein Ei
und sonntags auch mal zwei.

Der Mann hat’s auf der Welt nicht leicht,
das Kämpfen ist sein Zweck.
Und hat er endlich was erreicht,
nimmt’s eine Frau ihm weg…“

Bayer gestaltete das Erholungshaus vom Mitarbeitertreff zum städtischen Kulturhaus für alle Bürger um. Tanzcafés und Musikveranstaltungen, Filmspiele und vieles mehr belebten nun die aufstrebende Kleinstadt Wiesdorf.

Neue Musikrichtungen wie z. B. die der Comedian Harmonists, besangen die neue Freizeitkultur, z.B. mit „Wochenend und Sonnenschein“. Diese wurde in den 20er Jahren zu einer Freizeitwelt des Mittelstands, der Angestellten und aufstrebenden Arbeiter, d. h. der neuzugezogenen Wiesdorfer Bürger.

Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“

Besonders die Frauen kamen in einem völlig neuen Outfit daher mit knieumspielten Röcken, Bubikopf und rotgeschminkten Lippen ganz im Stil von Coco Chanel. Kunstseide, die ab 1925 von Bayer als neues kostengünstiges Massenprodukt auf den Markt gebracht wurde, trug zu einer neuen egalitären Massenmode mit Fransenkleidchen und Glitzerpailletten für die Freizeit bei. Nun tanzten Damen des Adels neben Bürofräuleins und Gattinnen der Bayer-Führungskräfte in Gruppen völlig neue Tänze wie Lindy, Charleston und Stepp. Die strenge Partnerformation der Kaiserzeit, in der die Herren den Takt angaben, wurde aufgehoben und Damenensembles oder freie individuelle Tanzformationen erprobten sich. So konnten alle mitmachen, denn durch den Krieg gab es nicht mehr so viele männliche Tanzpartner. Frei nach Josephine Baker konnten die tanzenden Frauen durchaus erotische Komponenten in ihre Darbietungen einbringen. Der Jazz und lateinamerikanische Rhythmen lieferten gleichfalls neue körper- und ausdrucksorientierte Musikrichtungen. Entsprechende freizügige Anspielungen gab es gleichfalls in der Musik, z.B. in „Veronika, der Lenz ist da…“

„Veronika, der Lenz ist da
Die Mädchen singen tralala
Die ganze Welt ist wie verhext
Veronika, der Spargel wächst

Ach du, Veronika,
die Welt ist grün
D’rum lasst uns in die Wälder ziehen“

Josephine Baker prägte die neuen Tänze Mitte der 20er Jahre.

Wir laden Sie ein zu einer Zeitreise, als die City von Wiesdorf entstand. Der „Städtische Chor Leverkusen“ erfreut uns mit einer musikalischen Kostprobe aus dieser Zeit. Das Ensemble „Saitenluft“ der Musikschule Leverkusen spielt Filmmusiken, die damals Bürofräuleins in den Filmpalästen beglückten.

Bernd Paffrath und die Tanzsportgruppen der „Tanzsportgemeinschaft Leverkusen“ führen uns vor, wie z. B. junge Frauen zu dem populären Hit „Yes Sir“ ausgelassen die Charleston-Beine schwingen ließen.

Bernd Paffrath, mehrfacher deutscher Stepptanzmeister aus Leverkusen, bekannt durch internationale Shows und Auftritte

Yes Sir
That’s my baby
No sir, I don’t mean maybe
Yes sir, that’s my baby now

Yes, ma’m, we’ve decided
No ma’m, we ain’t gonna hide it
Yes, ma’m, you’re invited now

By the way, by the way
When we walk up to the preacher I’ll say

Yes sir, that’s my baby
No sir, I don’t mean maybe
Yes sir, that’s my baby now

By the way, by the way
When we run into the preacher I’ll say

I’ll say yes sir, that’s my baby
No sir, I don’t mean maybe
Yes sir, that’s my baby now

Mmm

Eine wichtige Voraussetzung für den neuen Freizeithype war die Reduzierung der Arbeitszeit. Bayer und die IG Farben waren auch hier ein Vorreiter. Freizeit am Feierabend war die Voraussetzung für Neues. Leverkusen galt damals als experimentierfreudige innovative Musikstadt, der Städtische Chor Leverkusen wurde als Gesangverein für Frauen und Männer gegründet und grenzte sich somit von der Herrenkultur der Feuerwehr- und Schützenchöre ab. Die ersten Jazzformationen spielten im Bayer-Blasorchester.

Beide, die Stadt Leverkusen und die Musikschule, wurden im Jahr 1930 gegründet. Die Musikschule war im Rheinland eine besondere Einrichtung, da sie von Anfang an den kreativen musikpädagogischen Ansatz von Maria Montessori verfolgte.

10 Jahre erlebte die junge Stadt eine kreative Musik-, Tanz- und Freizeitwelt. Mit dem Beginn des 3. Reichs wurde die Freizügigkeit wieder eingeschränkt, die Röcke wurden länger, die Bademoden weniger knapp. Auch Musik und Tänze wurden wieder traditioneller und gesitteter.

Aufführung: Doris, das Kunstseidene Mädchen in Wiesdorf

Wenn die Elisabeth

Wenn die Elisabeth
Nicht so schöne Beine hätt‘
Hätt’se viel mehr Freud‘
An dem neuen langen Kleid
Doch, da sie Beine hat
Tadellos und kerzengrad‘
Tut es ihr so leid
Um das alte kurze Kleid

Das kann man doch verstehen
Beim Gehen
Beim Drehen
Kann man jetzt nichts mehr sehen
Und niemand weiß bescheid

Ja, wenn die Elisabeth
Nicht so schöne Beine hätt‘
Hätt’se viel mehr Freud‘
An dem neuen langen Kleid

Text: Karl Farkas & Géza Herczeg
Musik: Robert Katscher

Die mitwirkenden Vereine

Städtischer Chor Leverkusen e.V.
www.staedtischer-chor-lev.de

Der Städtische Chor Leverkusen (Mitglied im Verband Deutscher Konzertchöre – VDKC) ist seit 1921 als weltlicher Oratorienchor ein bedeutender Faktor im kulturellen Leben der Stadt. Er hat sich ein breites Repertoire an Werken aus allen Epochen der Musikliteratur erarbeitet und zusammen mit hochrangigen Orchestern und Solisten sowohl in Leverkusen als auch im Ausland vorgestellt. Neben den klassischen Werken  (Bach, Händel, Haydn, Mozart, Verdi, Brahms und Bruckner) wurden auch weniger bekannte oder selten gespielte anspruchsvolle Werke einstudiert, so Pfitzners Kantate „Von Deutscher Seele“, Regers „Einsiedler“ und „Hebbel-Requiem“, Janaceks „Glagolithische Messe“, Mahlers „Das klagende Lied“ und Schönbergs „Ein Überlebender aus Warschau“. Mehrere Konzerte übertrug der Westdeutschen Rundfunk. Seit Anfang 2009 wird der Städtische Chor Leverkusen von Michael Utz geleitet.

Konzertprojekte jüngerer Zeit

  • 2011 – Oratorium „Elias“ von Mendelssohn Bartholdy (90-jährigen Chorjubiläum); Magnificat von John Rutter
  • 2013 – „To Hope! – A Celebration“ von Dave Brubeck
  • 2015 – Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn (Forum Leverkusen)
  • 2016 – „Stabat Mater“ von Joseph Haydn und „Da Pacem“ von Michael Villmow
  • 2017 – Carmina Burana von Carl Orff und Auszüge aus der Bühnenmusik zu „Ein Sommernachtstraum“ von Mendelssohn Bartholdy
  • 2018 – Die Johannespassion von J.S. Bach
  • 2019 – Hexentanz und Zaubertrank (Forum Leverkusen) mit den Werken „Die erste Walpurgisnacht“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ von Modest Mussorgski“, “Double Trouble“ von John Williams aus Harry Potter und dem Hexenchor aus Macbeth von Guiseppe Verdi; Weihnachtsoratorium von J.S. Bach die Kantaten I, III und VI
  • 2022 – Festkonzert zum 100-jährigen Chor Jubiläum Karl Jenkins‘ „Gloria“ und Felix Mendelssohn 2. Sinfonie „Lobgesang“
  • 2023 – Misa a Buenos Aires (Misatango) von Martín Palmeri (Friedenskirche LEV)

Michael Utz
Konzertanter künstlerischer Leiter

Als Kirchenmusiker an der Abteikirche St. Nikolaus Brauweiler, künstlerischer Leiter der dortigen internationalen Orgelkonzertreihe und des Musikfestivals Abtei Brauweiler classic nights, als Regionalkantor des Rhein-Erft-Kreises sowie als Konzertorganist ist Michael Utz überregional bekannt. Mit dem AbteiChor Brauweiler und dem seit 2009 von ihm geleiteten Städtischen Chor Leverkusen führt er in der Abtei Brauweiler und im Forum Leverkusen nahezu alle großen Oratorien auf. Auch im Bereich der zeitgenössischen Musik ist Utz aktiv und als Organist und Dirigent für zahlreiche Uraufführungen von Werken verantwortlich, die ihm teilweise selbst gewidmet sind. 2015 war er Jurymitglied beim Internationalen Kompositionswettbewerb „Musica Sacra Nova“ unter der Schirmherrschaft des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik im Vatikan.

Daneben arbeitet er als Korrepetitor und wirkt als Organist, Cembalist und Pianist bei Produktionen des WDR und des DLF mit. Als Organist tritt er in ganz Europa, in Tansania und in Japan auf und erhält Einladungen zu renommierten Orgelfestivals. Michael Utz studierte Kirchenmusik, Orchesterleitung und Orgel in Hannover, Berlin und Groningen/NL u.a. bei Wolfgang Zerer (Orgel) und Lutz Köhler (Dirigieren). 1999 war er Finalist beim Internationalen Orgelwettbewerb in Dublin. Bevor er 2003 nach Brauweiler wechselte, wirkte er in Berlin als Kirchenmusiker und Lehrbeauftragter an der Universität der Künste und war Mitarbeiter des Berliner Staats- und Domchores. 2020 wurde Michael Utz der Kulturpreis des Rhein-Erft-Kreises verliehen.

Bernd Paffrath, Stepptanz
www.tanzeninleverkusen.de

Angefangen hat für Bernd alles mit Stepptanzfilmen von Fred Astaire im ZDF. Er beschloss selber das (Stepp-)Tanzen bei professionellen Lehrern zu lernen. Seit 1989 arbeitet er als Stepptänzer und Lehrer für Stepptanz. Als Tänzer: viermal Deutscher Meister und 1996/97 sogar Weltmeister im Solostepptanz. Bekannt ist er durch Varietés und Shows „Fire of Dance“ oder „Tap Dance Festival“ oder „Ruhr 2010“.

Er gibt regelmäßig Kurse und ist sowohl bundesweit Gastdozent als auch im Ausland (z. B. New York und Boston, „North American Tap Dance Festival“)  Seit 2001 hat er an der Folkwang Universität der Künste in Essen einen Lehrauftrag für Stepptanz im Fachbereich 3 „Musical“.

Häufig ist er auch im Fernsehen zu sehen: „Zimmer Frei“, „ZDF Tanzgala“, „Aktuelle Schaubude“, „Der Fröhliche Weinberg“, NDR, und in der ComedyShow „Schmitz komm raus!“ auf SAT 1. 2010 tanzte er im Rahmen der Eröffnungs- und Verabschiedungsgala der „Ruhr2010 – Kulturhauptstadt Europas“ im ZDF. Auch in Konzerten wie das „Tap Dance Concerto“ von Morton Gould (vier Sätzen für Symphonieorchester u.Stepptanz) , „Sacred Concerts“ von Duke Ellington.

Swing/Jazz: Sing, Sing, Sing (Swing-Hit von Benny Goodman) There‘ll Never Be Another You (Ein Tanz im Stil von Jimmy Slyde), Take 5 (Jazz-Klassiker des Dave Brubeck Quartetts)

Musical (Song and Dance):Always Look On The Bright Side Of Life (Aus Spamalot) Singin‘ In The Rain (Aus dem gleichnamigen Film)

Filmmusik: Mission Impossible (Kobra, übernehmen Sie!) The Entertainer (Aus dem Film „Der Clou“, im Stil von Bill „Bojangles“ Robinson)

Pop/Funk/Elektroswing: Musicology (Ein funkiger Song von Prince), What is Jazz (Ein moderne Elektroswing/Lounge Track von Club Des Belugas), It Don‘t Mean A Thing If It Ain‘t Got That Swing (Elektroswing-Version des bekannten Stücks)

Dr. Ellen Lorentz
Stadt- und Gästeführerin

Hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert und über Frauen in Büroberufen in der Kaiserzeit und Weimarer Republik promoviert. Ein Schwerpunkt war die Angestelltenarbeit bei den IG Farben. Ihre Doktorarbeit wurde mit dem Elisabeth Selbert Preis ausgezeichnet. Nachdem sie über 30 Jahre (Deutschland und Europa) in der Berufsbildungsforschung und Unternehmensberatung mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen, gearbeitet hat, schrieb sie im Unruhestand einen Stadtführer „Spurensuche in Leverkusen“. Weitere Bücher kamen hinzu – ein neues Hobby war geschaffen.

Sie gründete die Vereine Gästeführer Leverkusen und Bergisches Land“ e. V. sowie Leverkusen Kult Tour. e.V. Mittlerweile werden jährlich rund 1.200 Gäste durch die Stadt geführt und seit 2023 gibt es sehr erfolgreich „Leverkusener Kult Touren“ als Theaterspaziergänge, Musik- Kunst und Genuss Spaziergänge.

Die Beschäftigung mit der Leverkusener Geschichte hat mich wieder zurück zu den Themen der „Golden Twenties“ geführt. Kleidung, Frauenleben, Romane, Musik und Tanz der Zeit. Wiesdorf ist ein spannender Ort für diese Zeit. Die Gründung unserer Stadt, viele Gebäude stehen noch. Und aus Leverkusen kamen viele Innovationen, die das Moderne Leben in der Weimarer Republik beeinflussten: die Kunstseide, synthetischer Kautschuk, neue Körperpflegeprodukte und vieles mehr. Daher lohnt es an diese kreative Zeit der Leverkusener Gründung anzuknüpfen.

Theaterspaziergang: „Doris das kunstseidene Mädchen in Wiesdorf“ zusammen mit dem jungen Theater Leverkusen – wie die Bayerwelt in den Weltroman von Irmgard Keun kam…

Musik Mode und Tanz der 20er Jahre Angestelltenkultur

Bücher von Ellen Lorentz:

  • Spurensuche in Leverkusen
    13 Touren zur Industriegeschichte
  • Spurensuche an der Dhünn
    12 Touren von der Quelle im Oberbergischen bis zur Mündung in Leverkusen
  • Dunkle Geschichten aus Leverkusen
  • Glücksmomente
    Geschichten aus Leverkusen